Drei lokale Größen sprechen in drei Unterhaltungen über die Subbass-Szene Leipzigs. Heute geht es um darum, was die DJs und Besucher in die Arme des Untergrund-Genres treibt und nicht mehr gehen lässt. Außerdem wird über die Besonderheiten der Leipziger Szene gesprochen.
Sophia von Boundless Beatz ist durch ihre Schwester zum Drum & Bass gekommen. »Es war Silvester, ich hatte überhaupt keinen Bock rauszugehen und deswegen eine super hässliche Jogginghose und ein weites T-Shirt an. Vorher war ich auf Top40-Partys, da konnte man sowas nicht tragen. Als wir bei der Party ankamen, fiel mir relativ schnell auf, dass das hier keinen interessiert. Mein Tanzstil erinnert so ein bisschen an Seilspringen, das sieht manchmal voll scheiße aus, aber macht super Spaß. Auch das war hier total egal. Damit hat mich Drum & Bass ziemlich schnell überzeugt.« Es bleibe zu hoffen, dass sich der Szene in Zukunft mehr weibliche DJs und auch Besucher zuwenden. Momentan gäbe es davon nur wenige.
»Mein Tanzstil erinnert so ein bisschen an Seilspringen, das sieht manchmal voll scheiße aus, aber macht super Spaß. Auch das war hier total egal. Damit hat mich Drum & Bass ziemlich schnell überzeugt.«
Bei MxD (2 Guys 1 Dub) manifestiert sich die Musik sogar körperlich. »Drum & Bass und Dubstep drücken einfach ordentlich im subfrequenten Bereich. Sie sind basslastig. Das ist Musik, die man buchstäblich spürt. Natürlich kann man dazu auch sehr gut tanzen. Und du hast in dieser Szene Leute, die die Musik feiern«, das sei in anderen Musikkulturen weniger ausgeprägt. Dort gehe man hin, um Freunde zu treffen oder auch einfach, um halt feiern gegangen zu sein. Oder auch, weil man dort eine Plattform habe, um seine Alltagsprobleme exzessiv weg zu konsumieren. Das sei eigentlich nie ein problematischer Bestandteil der Szene gewesen, resümieren Ulan Bator. audite (Boundless Beatz) sieht das anders: In manchen Clubs würde einem schon mal die Laune vergehen, weil vielen Gästen musikalischer Input als Katalysator zur Ekstase nicht mehr reiche. Da würde dann mit chemischen Drogen nachgeholfen.
Diese Musik ist nicht für den kapitalistischen Konkurrenzkampf geschaffen, der in der Popmusik geführt wird.
Gewisse Dinge haben sich nie geändert: Keine Massen-Raves mit 20 UK-DJs und 30 MCs in der Leipziger Messe. Die gab es früher nicht, genauso wenig wie heute. »Das wäre nicht real«, so audite. Diese Musik ist nicht für den kapitalistischen Konkurrenzkampf geschaffen, der in der Popmusik geführt wird. »Ein kommerzieller Touch würde der Leipziger Drum & Bass Szene nicht stehen«, findet MxD. Wenngleich die Musik auf der ganzen Welt kulturelle Angelpunkte hat, so ist sie immer an Urbanität gekoppelt. »In Delitzsch haben wir 2006 die allererste Party mit solcher Musik geschmissen«, erinnert sich Base (Ulan Bator). Und selbst in den urbanen Zentren der Welt sei die Musik ein untergründiges Randphänomen. Gerade das mache aber ihren Geist aus. »Ich war in Tokio auf einer Dubstep-Party, auf der Goth Trad gespielt hat. Da haste 10 Millionen Einwohner, im Club sind dann 60», lacht Derrick.
»Da war das halt Disko – das haste gemacht, bis ’de 30 warst und danach haste halt was anderes gemacht. Aber das ist ja Quatsch«
»Was schön ist: die Musik funktioniert heute genreübergreifend«, meint audite. Alte Hasen und junge Hühner legen gemeinsam auf, im Publikum ist sowohl als auch vertreten. Das war auch immer Derricks Traum, »und langsam wird der Realität. In London feiern teilweise die 60-70jährigen mit den 20jährigen zu Bass-Musik beim Notting Hill Karneval. In Deutschland kannten wir das gar nicht. Da war das halt Disko – das haste gemacht, bis ’de 30 warst und danach haste halt was anderes gemacht. Aber das ist ja Quatsch – dahinter steht eine Musikkultur und ein Lebensgefühl. Deswegen mach‘ ich das ja schon 25 Jahre lang.«
Welches Lebensgefühl eigentlich? Derrick bringt den Buddhismus ins Spiel: Menschen senden immer Impulse, andere Menschen reagieren auf Impulse mit neuen Impulsen. So sei das auch in der Musik. Den Zustand zwischen Tod und Reinkarnation, dort, wo aus altem noch nichts neues gewandelt ist – das ist Kreativität. Angefangen bei »wer seid ihr?«, nun bei metaphysischen Grundsatzdefinitionen angekommen, müssen wir das Gespräch beenden. Derrick muss nun auf die Bühne, auflegen. Base und Derrick sind sich einig: Musik muss Soul haben. Und Musik ist Kommunikation, Neuinterpretation, Wandlung. All das finden sie im Drum & Bass. Deswegen sind sie schon lange da und werden da vermutlich auch erst mal lange bleiben. Amen(break).
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Titelbild (bearbeitet) von LeipzigTravel – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
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