Drei lokale Größen sprechen in drei Unterhaltungen über die Subbass-Szene Leipzigs. Heute geht es darum, wie alles begann, von wo sich die tieffrequente Bassmusik ausbreitete, wie sie nach Leipzig schwappte und wer die Menschen hinter Leipzigs bekanntesten Namen sind.
audite verteilt gleichgroße Tagliatelle-Portionen an jeden. Brotbrechen am Tisch einer der bekanntesten Drum & Bass Crews Leipzigs: Boundless Beatz. Das sind neun DJs und Produzenten, teils von hier, aus Mainz, Köln und der Ukraine. Der Name steht für ein Label, ein Podcast-Format und eine Veranstaltungsreihe. Im Kern sind Boundless Beatz vor allem drei Leipziger/innen: audite und Dubbalot, die live mit turbulenten Rhythmen hantieren und Sophia, welche den Draht zur Öffentlichkeit herstellt. Ende der 90er wurde der Drum & Bass in Deutschland groß. audite verschlug es aus Rheinland-Pfalz nach Leipzig, wo er ab 2005 die Leipziger Szene enterte. 2007 gründete er Boundless Beatz als Radioshow, damals noch allein.
Drum & Bass ist ein Kind der Jungle- und Breakbeat-Kultur, die wiederum ihre Ursprünge im Reggae hat. Jamaikanische Migranten brachten diesen nach London und Bristol. Englische DJs, jamaikanische MCs und Künstler verbanden das DJing und synthetische Bässe mit schwarzafrikanisch-karibischem Reggae. Ein musikalisches Hybrid sondergleichen war geschaffen, das Kontinente verband. Aus London verbreitete es sich über die ganze Welt: Russland, Israel, Japan. Die größten Erfolge werden jedoch nach wie vor in Großbritannien gefeiert, wo auch seit jeher die aktivsten Szenen existieren. Kurz gesagt ist Drum & Bass tieffrequente, elektronische Bassmusik auf stark beschleunigten Funk- und Breakbeats. Der »Amen-Break« ist der wohl bekannteste, eine Art Symbol-Beat und Markenzeichen der Musikkultur. Er markiert gleichzeitig die Schnittstelle zu Funk, Jungle und HipHop.
»Wenn wir damals Jungle aufgelegt haben, haben die Leute gesagt: ›Macht doch mal den Techno aus!‹«.
Mitte der 90er, als es in Deutschland losging, gingen Ulan Bator noch zur Schule. Heute einer fünf- bis achtköpfigen Kombo aus DJs, Produzenten und Supporter/innen angehörend, war Base damals noch gar nicht dabei. Seine Karriere fing unweit von Leipzig an. »’92, mit 15, haben wir in Freiberg unser erstes Haus besetzt, das wurde dann unser Club. Wir haben da parallel zu Leipzig Veranstaltungen gestartet, gleichzeitig habe ich HipHop und Jungle im Conne Island aufgelegt. ’99 hat mich Ulan Bator dann das erste Mal zum Auflegen eingeladen.« Derrick erinnert sich: »Wir waren 16 Jahre alt, das erste Mal illegale Veranstaltungen in leeren Hallen machen – da haben wir nicht weiter über den Namen nachgedacht. Ulan Bator – übersetzt: »roter Held« – klang halt cool.« – Base: »Wenn wir damals Jungle aufgelegt haben, haben die Leute gesagt: ›Macht doch mal den Techno aus!‹«.
Derartige stilistische Verirrungen hat MxD nicht mehr mitbekommen. Er spricht mit dem kreuzer aus dem Vietnam-Urlaub, die Videochat-Verbindung ist wackelig. Seit 2012 ist er unter dem Crew-Pseudonym »2 Guys 1 Dub« zusammen mit elf anderen DJs und Produzenten im Internet unterwegs, seit 2015 auch auf der Bühne. Innerhalb weniger Jahre stiegen sie jedenfalls zu den populärsten Drum & Bass Crews der Stadt auf. 2011, als er nach Leipzig kam, war die Szene bereits sehr gut vernetzt.
»Alle respektieren sich gegenseitig.«
Mittlerweile haben sich regelmäßig stattfindende Veranstaltungsreihen innerhalb der Subkultur herausgebildet: »IT’S YOUR’S«, eine Plattform für HipHop und Drum & Bass seit 2003; »Drum and Bass Reloaded« seit 2013; die »Dark Drum and Bass Convention« seit 2015; und die »Global Space Odyssee«, ein jährlicher Straßenzug, der politische Statements gegen Diskriminierung und für Individualität und Zusammenhalt setzt. »Man kennt sich untereinander sehr gut, auch durch diese Veranstaltungen«, so MxD. »Und alle respektieren sich gegenseitig. Das ist eine von vielen schönen Eigenschaften dieser Szene«, schwärmt Derrick von Ulan Bator.
Respekt und Vielfalt – Grundbausteine einer Musikkultur, die aus der Karibik über Großbritannien nach Deutschland und von Westeuropa in die ganze Welt getragen wurde. Warum die Drum & Bass Szene ein konsequentes Untergrund-Dasein führt wie kaum eine andere und wie wichtig der Kampf gegen musiktypische Verlockungen der Postmoderne sind – Partydrogenkonsum und kapitalistisches Produktionsdenken – wird Thema sein in den nächsten Ausgaben der Mini-Reihe zum Thema »Was macht den Untergrund so attraktiv? – Die Drum & Bass Szene Leipzigs«.
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Titelbild (bearbeitet) von LeipzigTravel – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
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