Nach dem überaus eindrucksvollen Labelstart des Neodigital Nachfolgers NËU im Dezember hat sich diesmal gleich der Chef selbst (oder besser gesagt: eine Hälfte des tonangebenden Duos) ins Studio begeben, und zwar mit dem immer noch jungen Holländer Signal, der damit seiner ohnehin schon beeindruckenden Liste an reputierten Labels eines mehr hinzufügt.
Um es gleich vorweg zu nehmen, die Single offenbart sich so wenig als Überraschung, wie man es erwart, wenn zwei solche Produktionskaliber gemeinsam an den Rädchen der digitalen Musikmachmaschine drehen. Consonance legt gleich mal los mit ein wenig an Phace’s 2015er Collab mit Rockwell Yes! erinnernden Stabs, entwickelt sich aber bald zur musikalischen Personifikation eines überdimensionalen Hamsters der sich – angetrieben von den Peitschenhieben der kleinen Trommel – fröhlich durch die Frequenzen nagt: Riesig, flauschig, und gerade so furchteinflößend das man beim hineinkuscheln eben ein Auge offen lassen möchte.
Locust schließlich (die mit dem Ed Rush & Fierce Klassiker aus 1997 nur den Namen gemein hat; trotzdem eine gute Gelegenheit sie sich wieder mal zu Gemüte zu führen!) ist ein psychedelisches Meisterstück an Dimensionalität, und auch wenn insbesondere die Melodien nicht unbedingt und immer durch ihre Originalität bestechen, so wird im Schatten dieses monströsen, vielschichtigen Konstrukts schnell klar: mit solchen Kleinigkeiten können wir uns gar nicht befassen. Und geradezu eingekesselt inmitten dieses Schwarms sind dann auch alle Fragen schnell vergessen…
Generell wäre es mir noch ein Anliegen, anzumerken, dass sich beide Tracks eines A – B – Schemas bedienen, was zwar zweifelsohne zeitgemäßer ist, jedoch entfällt durch die fehlende Wiederholung des A-Teils auch das Wiedererkennen, das – wenn man so möchte – Heimkehren nach dem Abenteuer, und mir zumindest und meinem musikalischen Empfinden geht es ein bisschen ab. Wen es interessiert der/die kann ja nach 1:51 zurück zu Sekunde 44 springen (bzw. von 1:29 zurück zu 0:44 bei Locust) und selbst erfahren, was ich meine.
Ansonsten bleibt wohl nur zu hoffen, das NËU uns bald wieder solche Schmankerln aufwartet.
Phace & Signal – Consonance / Locust (NËU)
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Am deeperen Ende des Spektrums haben uns unterdessen Enei und Kasra die Transmitter EP geschenkt, und wie gewohnt agieren die beiden mit der Präzision des Ninjas: Man sieht es kaum kommen und schon ist man mittendrin! Die vermeintliche Gegensätzlichkeit der Attribute messerscharf und butterweich mühelos vereinend, gruppieren der kritische Labelboss und St. Petersburg’s Finest auf fünf Tracks wunderbar treibende Grooves, geschmackvolle Bleeps, herzerwärmende Kammfilter und einen stilvoll zurückhaltenden Array an Vocals um den mächtig dahinfluffenden Sub, den unangefochtenen Protagonisten und Helden des Dramas.
Schon der Eröffnungstitel Transmitter macht mit Jakes ambivalent auslegbarer Aufforderung »Let’s go to work!« alles klar: Hier wird nicht lange gefackelt, hier kann man Lehrbücher über das Verfertigen von Nägeln mit Köpfen abstrahieren, hier – geht es ab. Das ändert sich auch nicht in den folgenden Tunes 1000 (wo sich über dahinrollendenn Bässen Roboter Märchen aus einer anderen Zeit zu erzählen scheinen), dem dezent mystisch-melancholischen Projections (dessen prozessierte Vocal-Line mich absurderweise immer an den Klimax von Miles Davis‘ In A Silent Way erinnert), dem vom Vibe her Octane & DLR’s Set Up The Set nicht unähnlichen Rolling Walls mit seinen Bässen, die wahrhaftig Wände in Bewegung bringen könnten, bis hin zum abschließenden Look Ahead, das ein bisschen wie Small Talk mit Phace vor 10 Jahren klingt.
Natürlich kann sich das volle Potential solch subbasslastiger Musik nur im Club entfalten; wer also auf seinen Handykopfhörern die Stärken dieser EP höchstens zu erahnen vermeint, sei hiermit höchstoffiziell vorgewarnt. Wer aber sein Arsenal um ein paar Bomben erweitern möchte, sollte hier tunlichst zugreifen, so lange sie fresh sind. Die Meute dankt.
Enei & Kasra – Transmitter EP (Critical Music)
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