Sprüche wie „Ach, du hast ja Glück. Du bist ja ne Frau, da hast du es ja leichter“ oder „Jaaa… Da macht der Frauenbonus das!“ sind leider nicht unüblich und ja, Sexismus und vor allem Chauvinismus gibt es überall, auch in der DJ-Szene.
Auch wenn es in den oben genannten Beispielen positiver Sexismus ist, ist und bleibt es Sexismus und die Reduzierung auf das weibliche Geschlecht. Denn wieso sollten Frauen anders / schlechter / besser auflegen als Männer? Wieso sollte es nicht völlig normal sein, eine gleiche Menge Frauen hinter den Decks zu haben wie Männer?
Drum & Balls?
Es scheint so, als würden sich in anderen Genres wie Techno, Funk, House etc. die Frauen so langsam, nun sagen wir mal „etablieren“, aber im Drum&Bass, naja, da gibt es wie viele? Eine Handvoll international bekannter DJanes, dazu gehört auch DJ STORM (Foto). Von Produzentinnen fangen wir gar nicht erst an, und auch lokal gibt es kaum Frauen, die hinter den Decks vertreten sind.
Die Mär von der DJane
DJanes, ja wieso eigentlich DJane und nicht auch DJ (Discjockey)?
Bei Wikipedia gibt es für den Eintrag „DJane“ nicht mal eine eigene Rubrik. „DJane ist eine Bildung zu DJ, die an dem Namen Jane angelehnt ist“. Wow… Der Herkunft des Wortes DJ, welches übrigens Geschlechtsneutral ist, wird hingegen eine lange und ausführliche Seite gewidmet.
Auch tauchen bei der Suche nach DJane so gut wie nur halbnackte Frauen auf, die mit Djing so wenig am Hut haben wie der Papst. Wichtig scheint auch hierbei nur das Aussehen zu sein. Schade…
Aber wie können wir das ändern? Eine Frauenquote hinter den Decks auf jeder Party oder in einem Club ist genau so lächerlich, wie sie es im Arbeitsalltag ist, denn auch, wenn sich auf lange Sicht dadurch eventuellerweise die Stellung der Frau normalisieren könnte, so besteht hier die Gefahr, dass wieder einmal nur das Frau-Sein an sich in den Vordergrund tritt und nicht die Kompetenz und das Können.
Also Ladies, DJing ist wie Feuerwehrmann, oder eher Frau, und alle anderen Männerdomänen, ein Beruf oder sagen wir eher ein Hobby, welches ebenso gut von Frauen wunderbar beherrscht und geliebt werden sollte. Denn ansonsten bleibt der Teufelskreis geschlossen. Frauen werden erst gar nicht gebucht und bekommen somit auch keine Sichtbarkeit und Gelegenheit sich als „sichere Nummer“ zu etablieren. Das muss sich ändern!
Nun hat sich die liebe NOGATA bereiterklärt, ein kurzes Interview zu ihren merkwürdigsten und schönsten Erfahrungen zu geben.
Der Schlagabtausch mit Nogata
TuB: Wie geht es dir heute?
Nogata: Etwas geschafft, aber sehr gut. Sohnemann hat –nach dem Abendessen und schon im Schlafanzug- gelernt, eigenständig aufzustehen. Er war so begeistert von der
Entdeckung, dass sich das Einschlafprocedere etwas länger hingezogen hat. Sohn
aufgekratzt, Mama stolz und müd.
TuB: Wie bist du zum Auflegen gekommen?
Nogata: Ich würde gerne eine spektakuläre Geschichte erzählen. Kann ich aber nicht, denn es war anfangs eher eine Verzweiflungstat. Ich bin 2004 von Köln in den Pott gezogen. Meine Arbeit fing immer erst recht spät an – nur was tut man in einer Stadt wie Hamm an freien Vormittagen, wenn alle Welt arbeitet? Yoga? Kein vernünftiges Kursangebot. Jonglage? Fehlanzeige. Didgeridoo spielen? Workshop mangels anderer Anmeldungen abgesagt.
Um etwas gegen meine Langeweile zu tun, habe ich dann ein altes Final Scratch und einen noch älteren Mixer ersteigert. DnB war zu dem Zeitpunkt schon seit Jahren mein Ein und Alles, aber ich war zuvor nie auf den Gedanken gekommen, mehr damit zu machen als zu der Musik zu tanzen und mal ein bisschen mit Cubase zu basteln. Nach einem Tag war ich angefixt und habe fortan jede freie Minute zum Üben genutzt.
TuB: Was war dein schönstes Erlebnis, bzw. eines deiner schönsten Erlebnisse hinter den Decks?
Nogata: Ich finde es schwierig, ein bestimmtes Ereignis aus all den tollen Erlebnissen herauszupicken. Die Abende, die mir am meisten im Kopf bleiben, sind die, in denen ich das Gefühl habe, verbunden zu sein mit allen im Raum. Was ich auch nicht vergesse, sind all die lieben Zeilen, Bildchen etc., die ich bei Partys bekommen habe und in einem Erinnerungsköfferchen konserviere.
TuB: Was hältst du von der Unterscheidung DJ – DJane?
Nogata: Nichts. Es geht um die Musik. Es geht um den eigenen Spaß an der Musik und vor allem um den Spaß der Leute. Und da spielt das Geschlecht des DJs in meinen Augen keine Rolle. Mit Jane kann ich mich übrigens auch nicht identifizieren, das macht es für mich nicht besser.
TuB: Was war der schlimmste Spruch / die schlimmsten Situation, die du erlebt hast?
Nogata: Die ersten Jahre waren die größte Herausforderung — sicherlich auch, weil ich mich über Sprüche geärgert habe, über die ich heute aus vollem Herzen lachen würde.
Meine Top 3 der schlimmsten Situationen:
- (In der Schlange am Ausgang, DJ Dash und ich jeweils mit Plattentasche über der Schulter, zwei augenscheinlich betrunkene Damen hinter uns:) „Oh, schau mal, ein weiblicher DJ! Ah nee, ne Plattenkofferträgerin. Das hab ich mit 16 auch immer gemacht, wenn ich mit dem DJ ins Bett wollte.“
- (In Celle um Mitternacht, nachdem ich mit anderen DJs technische Probleme gelöst hatte, ich an der Bar, Typ neben mir:) „Du legst auch noch nicht lange auf, oder? Hast ja Probleme mit der Technik gehabt. War sie zu neu für dich oder war sie zu komplex?“
- (Beim Packen meines Krams hinter der Bühne bei der Nature One, ich gebückt vor meiner Plattentasche, jemand haut mir auf den Hintern, ich dreh mich um und kenn die Person nicht:) Ohne Worte.
„Oh, schau mal, ein weiblicher DJ! Ah nee, ne Plattenkofferträgerin. Das hab ich mit 16 auch immer gemacht, wenn ich mit dem DJ ins Bett wollte.“
– zwei angetrunkene Damen
Zum Schmunzeln bringt mich:
- (Bei der Quake, ich halte mal kurz inne und schaue mir den Trubel von hinten an, Typ neben mir:) „Oh, ich bin so erleichtert, dass ich nicht der einzige in dem Laden bin, der mit der Musik so gar nix anfangen kann!“
- (So oft, irgendwo:) „Sag mal, bist du Zivibulle / Psychologin / usf.?“
- (Mindestens genauso oft, irgendwo:) „Entschuldigen Sie, Sie haben doch bei XY aufgelegt…“
TuB: Was will man als Frau absolut nicht hören / sehen, wenn man hinter den Decks steht?
Nogata: Dass man sein Dasein hinter den Decks diesem sogenannter „Frauenbonus“ zu verdanken habe.
TuB: Warum etablieren sich vor allem im Drum&Bass nicht mehr weibliche DJs, vor allem international?
Nogata: Meine Vermutung ist:
- Es fehlt an weiblichen Vorbildern / Identifikationsfiguren, die Frauen alleine durch ihr Dasein auf den Gedanken bringen, selbst aufzulegen.
- Frauen sind oft weniger gut vernetzt. Und Beziehungen bzw. ein Netzwerk spielen eine immens große Rolle.
- Gerade in der Anfangszeit muss man als Frau seine Fähigkeiten permanent unter Beweis stellen. Ein Locationbetreiber fragte den neben mir stehenden DJKollegen einmal ganz offen: „Kann die das auch?“ So direkt ausgesprochen wird es selten, aber ich glaube, in den Köpfen passiert das weitaus häufiger. Die bloße Vermutung dieser Vorurteile führt dazu, dass man als Frau enormen Druck empfindet, sich keine „Fehler“ erlauben zu dürfen. Doch Druck erzeugt nicht nur die Erwartung von Vorurteilen; alleine durch das Geschlecht erfährt man als Frau mehr Aufmerksamkeit beim Auflegen. Hast du einen schlechten Tag oder setzt einen Übergang in den Sand, bleibt das mehr im Kopf.
- Sich international zu etablieren gelingt eigentlich nur, wenn man produziert und damit auch einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Und da sind Frauen noch rarer als beim Auflegen. Weil es an weiblichen Vorbildern fehlt, die Frauen alleine durch ihr Dasein… Ihr wisst schon.
- Und dann gibt’s da verschiedene weitere Aspekte, die mit einfließen können. Schnell landet man da bei einer Diskussion, die auch an vielen anderen Orten geführt wird, wo einseitig Frauen oder Männer vertreten sind.
TuB:Was sollte sich ändern, wie kann sich das ändern?
Nogata: Ich glaube, dass es ein annähernd ausgeglichenes Geschlechterverhältnis hinter den Decks erst geben wird, wenn sich gesamtgesellschaftlich noch mehr bewegt. eine große Rolle dabei spielen stereotype Rollenvorbilder, die uns von klein auf an allen Ecken und Enden begegnen. Und eine Erziehung und Sozialisation, die uns (Männer wie Frauen) in unserem Denken und in unseren Möglichkeiten begrenzt.
TuB: Trommel oder Bass?
Nogata: Bass, weil der mein Herz zum Schwingen bringt!
TuB: Ich danke dir. Hier noch ein Mix von Nogata.
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