Selten hat man die Chance einen Newcomer hautnah bei seinem Erfolg zu begleiten. Umso glücklicher schätze ich mich Johanns Geschichte beinahe seit Beginn an mitzuerleben. Man kann getrost behaupten, dass OaT sich auf jeden Fall von der schier unendlichen Newcomer-Masse abgehoben hat. Nicht zuletzt durch Konsistenz und Originalität. Deshalb war ein Interview mit ihm schon lange überfällig. Aber jetzt mal Butter bei die Fische!
TuB: Nicht einmal anderthalb Jahre ist es her seit du auf der Bildfläche erschienen bist, hast du musikalischen Hintergrund oder wie kamst du zu DnB?
OaT: Musikalischen Hintergrund gibt es; ich habe sechs Jahre Klavier gespielt aber leider mit vierzehn aufgehört weil es mich nervte von anderen komponierte Stücke nachzuspielen und sich meine musikalischen Interessen zu der Zeit stark gewandelt haben. Als Jugendlicher fand’ ich Eminem ziemlich cool; dann hab’ ich Fred Durst und Limp Bizkit entdeckt und mich sofort in diesen “Nu-Metal” Sound verliebt. Mit der Zeit fand ich immer mehr Gefallen an härteren Sachen (ja, es ist dasselbe Phänomen wie bei Drogen) und fand den Weg zu Linkin Park, Korn, Slipknot und Kollegen. Im selben Atemzug hab’ ich angefangen E-Gitarre zu spielen und zu meinen Lieblingssongs mitzujammen; fand aber sehr schnell den Zugang dazu, wie man Songs selber schreibt.
Mit dem Alter kam dann auch die Reife – ich begann progressiveres Zeug zu hören (Tool, A perfect Circle, Opeth, Dream Theater) und auch mal in anderen Genres rumzustöbern (Trentemøller, Nine Inch Nails, Puscifer). Bis heute ist Trent Reznor eins meiner größten Idole.
2016 war ich dann mit siebenundzwanzig Jahren auf meinem allerersten Rave. Kurze Zeit später fand ich irgendwie den Weg ins ”Druckluft“ (Oberhausen). Viele Raver finden die Atmosphäre dort cool; ich habe mich leider alles andere als wohl gefühlt. Die Gruppe, mit der ich dort war kannte einen der DJs, was der Grund für unseren Besuch dort war. Mainfloor Techno, zweiter Floor Drum and Bass. Das war mein erster Kontakt: Wir betraten den Floor und ich spürte Energie, die Leuten haben abgesteppt, alle waren gut drauf, hatten ihren Spaß. Es lief brutaler Neurofunk welcher mich stark an den Sound von böse runtergestimmten und herbe verzerrten Gitarren errinerte. Die Faszination begann ab genau diesem Moment. Das Druckluft mag ich jedoch heute immernoch nicht.
TuB: Einer der ersten Uploads war Brain Damage (Or: ‘A Tribute to Alix Perez’), war also von Anfang an klar, dass du eher minimalistischen Stuff machen wirst?
OaT: Tatsächlich habe ich erst angefangen eher in Richtung Neurofunk herumzualbern. Nach dem besagten Abend im Druckluft habe ich Spotify und YouTube nach dem Sound durchstöbert den ich so interessant fand. Gefunden habe ich Mefjus, Gydra, Akov und natürlich Noisia. Keine Woche später, nachdem ich mein DnB-”Studium“ begonnen habe, fand ich dann Ewol, Wingz, Enei und Alix Perez.
Bevor ich anfing, Drum&Bass zu produzieren habe ich einige Jährchen im minimalistisch eingerichteten Bedroom-Studio prog Metal gemacht (ja, ein paar Songs gibt es und nein, ich zeige sie dir nicht :D). Ich hab’ den Unsinn aber nie gelernt, also war das alles eher so ein »Ok, der Knopf macht das… der hier macht das… Kacke, wasn’ jetzt passiert?«. Mit DnB wollte ich aber das ganze etwas ernster angehen, fing also an echt viel Zeit im DAW zu verbringen und mir alles selbst beizubringen. Geld für ’n Audio-Engineering Studium hatte ich nicht, also war das die einzige Möglichkeit neben stundenlangem Tutorials-Schauen auf Youtube wo ich mir aber zu ehrgeizig für war. Ich wollts’ selber lernen.
»Brain Damage« entstand aus reiner Experimentier-Laune heraus mit einem sehr interessantem VST-Synth namens »SynthPlant«. Ich hab geschaut was das Teil so kann bis mir eben dieser flatterige Sound entgegensprang. Ich dachte nur »Scheisse, das klingt fast wie The Raven« (und ich liebte diesen Tune); also beschloss ich vollkommen spontan daraus einen Tribute-Track zu machen weil ich glaubte sowas habe es in der Szene noch kaum gegeben. Ich designte »Brain Damage« so, dass man es nahezu perfekt live mit »The Raven« simultan droppen konnte.
Danach habe ich mich intensivst mit Alix Perez beschäftigt. Für mich gab es deutliche Parallelen zu Trent Reznor – nicht musikalischer Natur, eher von der Einstellung und den Idealen. Beide machen, was sie für fortschrittlich halten – und das völlig unabhängig von jeglicher Norm. Das fand ich so beeindruckend dass ich mich mehr und mehr dem minimalen Genre verschrieb weil ich diese Sparte ”kunstvoller“ fand als z.B. Neurofunk oder Jump Up. Kunst ist cool.
TuB: Natürlich hauen Newcomer gerne Tracks für umme raus (wie auch hier) um die Masse zu erreichen, wie denkst du heute darüber?
OaT: Ohne hier irgendjemandem auf die Füße treten zu wollen will ich hier mal behaupten, dass Free Tunes oft B-Ware sind. Auch ich habe hier und da was umsonst rausgehauen weil entweder kein Label Interesse hatte oder ich selber das Gefühl hatte dass der Track schwächer ist. Wir Produzenten haben in der Regel extrem hohe Ansprüche an uns selbst, aber wenn Material fertig rumliegt und nirgendwo ein Zuhause findet – dann raus damit.
Für viele Artists funktionieren Free tunes äußerst gut, denn grade mit beispielsweise Hypeddits Follow-Gates kann man so an seiner Gefolgschaft arbeiten und durch die vielen Reposts z.B. auf SoundCloud Leute erreichen die man so vielleicht nicht erreicht hätte. Genauso war es z.B. mit meiner kostenlosen EP auf Boey Audio – auf einmal klopft Arkaik an der Tür und sagt er findet »Obscene« fett. Das war irre cool für mich.
Unterm’ Strich sind Tunes für umme ’ne coole Sache. Aber wie bei allem anderen auch macht auch hier die Menge das Gift.
TuB: Ich kann mir vorstellen, dass dein raketenartiger Erfolg auch ziemlich anstrengend sein kann, wie hast du das Ganze erlebt?
OaT: Ich würde das eher ungerne als ”raketenartig“ bezeichnen, aber – oh man, absolut. 2018 war super erfolgreich, jedoch alles andere als entspannt. Ich hab’ das Glück als Freelancer in der Veranstaltungstechnik zu arbeiten, gleichzeitig aber sehr geringe Fixkosten zu haben. Ich arbeite maximal zehn Tage im Monat und die restlichen zwanzig Tage verbringe ich im Studio. Das ist der Grund für meinen enormen Output und die ganzen Releases die ab Herbst den Markt regelrecht überschwemmt haben.
Aber leider baut man als aufstrebender Artist nicht nur Tunes. Was hinzukommt ist z.B. das ganze Zeug an Labels zu schicken, geduldig auf Antworten zu warten, Details auszuhandeln, Tunes an etablierte Künstler zu schicken, Feedback einzuholen, aktuelle Releases anzuhören, meinen eigenen Mailout zu verwalten, sein Netzwerk zu erweitern, seine eigenen Sozialen Medien zu pflegen, Content zu liefern und hundert andere Dinge. Seit Mitte letzten Jahres habe ich auch die Ehre für den einzig wahren Florian Kaiza und sein Label »T3K Recordings« releases zu mastern. Auch hier strebe ich stetigen Fortschritt an; schliesslich will man in allem, was man tut, besser werden. Auch andere Labels sind mittlerweile an meinen Masteringarbeiten interessiert.
Dieser hohe Workload bringt halt Opfer mit sich. Stundenlang vorm Telefon zu hocken, Kopfschmerzen vom ewigen auf-den-Bildschirm-starren, Nachts wach liegen weil man Ideen hat die man am liebsten direkt ins DAW bringen möchte; das sind nur ein paar Dinge. Ich bin oft gestresst und müde – dann gibts ausserhalb dieses kleinen Universums auch noch die Familie, Freunde und Freundin die genauso Aufmerksamkeit verdienen. Aber auch da habe ich echtes Glück eine unfassbar unterstützende Freundin zu haben die unendliche Geduld mitbringt und sich stets meinen Unsinn anhört. Danke an dieser Stelle.
Letztendlich führte das alles dazu, dass ich z.B. an Wochenenden seit ein paar Monaten keine musikalische Arbeit mehr mache um den Kopf freizukriegen. Genauso entstand das Bedürfnis den gesamten Dezember nichts zu tun. Das war notwendig und gab ordentlich Kraft für 2019 nochmal ’ne Schippe draufzulegen.
TuB: Wie kam die Zusammenarbeit mit T3K zustande und überhaupt, was machst du da eigentlich?
OaT: Im Februar letzten Jahres habe ich ’ne Ladung Tunes an diverse Labels geschickt. Der Chef von Kill Tomorrow hat geantwortet dass er die Stücke mag, sie aber leider nicht zu seinem Label passen. Des weiteren sagte er dass er die Tunes an Florian, wohl einen langen Freund, weitergeschickt hat. Prinzipiell hat er uns “verkuppelt”.
Wir haben einige Tunes zusammen gebaut. Eins der Resultate war z.B. auf Georg Phlages Label ”IN:DEEP“ eine Collab EP von der es zwei Tracks in Noisias Radio geschafft haben. Musikalisch unterscheidet sich das jedoch sehr von meinem Solo-Zeug. Wie bereits weiter oben erwähnt mastere ich für T3K, bin ausserdem noch Ideengeber, bei A&R involviert und leidenschaftlicher Meme-Overlord.
TuB: Erzähl mir etwas über deinen Workflow, wie entsteht ein typischer OaT-Track?
OaT: Ich starte Studio One, erstelle ein neues Projekt mit einem meiner Templates, suche ein inspirierendes Sample und der Rest entsteht von allein. Ich schreibe einen Tune locker an einem Tag, lass’ den dann etwas liegen und komme dann für Detailarbeiten wieder. Fertig!
Meine Templates habe ich selber erstellt. Darin findet sich eine nackte Instanz eines Samplers (“Xfer Nerve”), diverse Subgruppen, diverse EQs vorinsertiert, eine nackte Instanz von “Serum”, eine fertige Drum-Midispur, zwei Reverbs als FX Send/Return und andere Sachen. Will sagen: ich kann direkt loslegen. Mit jedem abgeschlossenem Projekt verändert sich das Template.
TuB: Deine Top 5-VST’s und wieso?
OaT: Grosser Tip an alle, die grade mit dem Produzieren anfangen: lernt eure hauseigenen DAW-Plugins. Wenn ihr fertig seid, lernt sie nochmal. Dann schaut ihr was es noch so gibt.
SerumFX ist von Anfang an der größte Bestandteil meiner Produktionskette. Hat alles was man braucht, kann fast alles, tausend Möglichkeiten zum Automatisieren, zur Soundbearbeitung, Stereoenhancement ohne Phasenunsinn und noch viel mehr. Ungelogen: ich habe SerumFX auf JEDEM Kanal. Ohne Ausnahme.
Alle Fabfilter– Plugins sind zu empfehlen. Super vielseitig, super clean, vielleicht nicht ganz simpel aber sehr effektiv. Besonders Pro-MB ist klasse zum frequenzbandbasiertem Sidechain-Compressing wegen der Bissigkeit und dem freien Auswählen von Frequenzen die die Sidechain triggern sollen.
Binaural Pan. Hauseigenes Stereoenhancer-Plugin von Studio One. Hat einen Poti, macht was es soll und ist ehrlich.
Serum. Alle meine Bässe entstehen hier. Zu Serum muss ich nicht viel sagen, oder?
IR-L von Waves. Convolution Reverbs sind auf dem Vormarsch weil personalisierbar, klingen geil und super um Klangräume zu erstellen. Gibt, richtig eingesetzt, Seele.
TuB: Ist dir der Ausdruck ”Writers Block“ ein Begriff und wenn ja, wie gehst du damit um?
OaT: Es gibt sowas wie einen ”Writers Block“ nicht. Man kann Kreativität erzwingen. Ich werde mich hier nicht ducken, denn ich stehe voll und ganz hinter diesem Statement. Wenn du nicht inspiriert bist oder glaubst, in einer Schreibblockade zu sitzen dann mach solange weiter bis du Inspiration findest. Ich weiss nicht ob man das auf alle kreativen Arbeiten übertragen kann oder nicht, schliesslich mache ich kein illustratives Design oder schreibe Lyrik, aber was Musik angeht finde ich IMMER einen Weg die Muse zu küssen. Entweder ist es ein Sample dass ich direkt zerschneiden, stretchen, reversen, pitchen oder verzerren will oder es ist ein Sound in einem Tune den ich fett finde und mich frage wie der wohl entstanden ist. Beim Versuch dies zu replizieren passieren dann ”happy accidents“ und zack – da ist deine neue Idee.
Es ist nicht schwer, bedarf aber etwas Übung, Durchhaltevermögen und Zeit bis man an dem Punkt ist zu verstehen, dass zumindest Musiker keinen ”Writers Block“ haben können. Meistens ist es eher der eigene Anspruch, der uns im Weg steht und keine fehlende Kreativität.
TuB: Für jemanden der relativ kurz dabei ist, wie erlebst du die Indie-Musikszene?
OaT: Es ist kräftezehrend. Als frischer Artist muss man sich erstmal umsehen. Wer ist wer? Wer hat was zu sagen? Natürlich ist da Social Media eine große Hilfe. Man kann z.B. bei Facebook ziemlich schnell in Kontakt treten. Wenn man die richtigen Leute fragt gibt es auch viele Hintergrundinformationen. Ich habe ein breites Spektrum kennengelernt. Von etablierten Artists die sich für Dubs bedanken bis hin zu arroganten Idioten, die dir nicht antworten weil ihnen dein Name nichts sagt ist wohl alles dabei.
Glücklicherweise habe ich z.B. von Noisia enorm viel Support erhalten. Neben sieben Plays auf Noisia Radio in knapp acht Monaten bin ich auf deren Discord sehr aktiv. Ich kann jedem empfehlen dort mal vorbeizuschauen; es gibt Chats mit den Jungs höchstpersönlich, Produktionstipps und jede Menge Memes. Es ist klasse.
Auf der anderen Seite muss ich aber auch die Leute loben die mir den Einstieg in die Szene durch das Anbieten ihrer Plattform enorm erleichtert haben. Vielen Dank an Adam von Boey, Florian, Fabian von DistrictBass, Sebastian von Drum&BassArena und VORALLEM an Joshua von Forest Biz der seit Stunde Null an meine Musik geglaubt hat. Big ups!
TuB: Was hält die Zukunft für OaT bereit?
OaT: Der Satz macht vielleicht Inhaltlich keinen Sinn, aber:
Neben der Rückkehr ins Waldgeschäft gibt es pseudowissenschaftliche Experimente in einem unsichtbaren Methamphetaminlabor in dem ich Suchtverhalten-fördernde Trommel-Armeen herstelle. Das wird wie Vandalismus aussehen, dabei jedoch total handsome sein.
OaT
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