Es ist die Geschichte einer eigenen, kleinen Welt. Die Wurzeln des Drum and Bass reichen bis in die 70er Jahre zurück. Über die Entstehung, Entwicklung und Verbreitung einer Subkultur.
Ein Artikel unserer Gastautorin Dzana
Ein Klassiker des Quartetts um DJ Fresh, dBridge, Maldini und Vegas: Bad Company – The Nine (1998)
Drum and Bass (DnB) ist eine Form der elektronischen Tanzmusik, die in England Anfang der 90er Jahre entstanden ist. Von dort aus verbreitete sie sich nach Europa und Nord-Amerika. Der Name definiert die zwei Grundkomponenten: Trommel und Bass. So werden Breakbeats (gebrochene Beats) in einer Geschwindigkeit von 160–190 BPM (Beats pro Minute) gebildet. Diese Beats werden in der Entwicklung als Ausgangspunkt verwendet, durchgeschnitten, geteilt, neu zusammengefügt um unzählige neue Formen zu schaffen. Dann werden sie als sogenannter „Loop“ (Schleife) abgespielt und mit anderen Elementen kombiniert. Aus diesen unendlichen Möglichkeiten entwickelte sich mit der Zeit eine Vielzahl an Subgenres.
Backlash von Breden ist gerade erst erschienen und deeper Techstep. (Release: 30.03.2018)
Drum and Bass kann als Weiterentwicklung der Musikrichtung Jungle betrachtet werden, in der Einflüsse von Soul, Hip-Hop, Rhythm, Jazz, Blues, Reggae, Dub und Hardcore zu finden sind. Generell wird die Szene als wenig Massenkompatibel angesehen. So entwickelte sich eine Subkultur abseits des Mainstreams. Während das Genre in Deutschland wenig Anerkennung erhält und eher in Werbevideos und Kaufhäusern abgespielt wird, belegen in England einige Titel sogar die Spitzenplätze der Charts.
Hot Right Now von DJ Fresh und Rita Ora ist der erste Drum&Bass-Track, der Platz 1 in den britischen Charts belegte.
So vielseitig eine Musikrichtung ist, so schwierig ist es, ihren Ursprung zu erkennen. Es steht fest, dass der Jamaikaner Kool DJ Herc, als Erster auf die Idee kam, während seinen Auftritten zweimal dieselbe Platte zu verwenden. Die darin enthaltenen Breaks konnte er mit Hilfe von Plattenspielern und Mischpult „loopen“. Damit legte er im Jahre 1970 den Grundstein des Rhythmusgebildes des Hip-Hop und der elektronischen Musik.
Die englische Breakbeat-Musik wurde gerne durch Samples (Klangproben) anderer Musikrichtungen wie Hip-Hop, Ragga und Techno bereichert. So entstanden vielschichtige Variationen und Überschneidungen, aufgrund derer häufig Diskussionen entstehen, um welches Genre es sich genau handelt. Im Jahre 1993 wollte man sich mehr auf die wesentlichen Bestandteile konzentrieren.
der Amen Break
Im Drum and Bass wurde der sogenannte “Amen-Break” zum meist verwendeten Sample. Es handelt sich dabei um ein Schlagzeugsolo aus dem Stück “Amen Brother” der Soulband The Winstons aus dem Jahre 1969. Im Zuge weiterer Entwicklungen begannen Labels wie V Recordings, Moving Shadow und Reinforced, bestimmte Samples im Hauptteil wegzulassen. Alte Synthesizer wie zum Beipiel “Juno 106” oder “TR-606” wurden verwendet, um dem Sound einen elektrischen und düsteren Sound zu geben. Statt der Samples wurden von nun an, zum Beispiel gruselige Stimmaufnahmen aus Horrorfilmen, verwendet. Die Geräusche rollender Züge, Donnergrollen oder Sägezahnschwingen, unterstreichen den dunklen Charakter. Harte Beats und dröhnende Bässe wurden Mode und trugen zu klarer Struktur und besserer Tanzbarkeit bei.
Bei Minute 1:26 beginnt der Amen Break.
Der wohl wichtigste Künstler in der Entwicklung des Drum and Bass, ist der Brite “Goldie”. Sein Label Reinforced und sein Track “Terminator” inspirierten die Jugend. Sie wurden motiviert sich mehr mit der Musik zu befassen, und so stieg des Genres Ansehen. Mit der Zeit gründete er das Label Metalheadz, das bis heute eines der führenden Labels der Drum and Bass Szene ist.
Seit dieser Zeit werden Beats wie der “Amen-Break” immer wieder aufs Neue zerlegt und wieder auf neue Art und Weise zusammengesetzt. Heute gibt es bessere Sequenzprogramme und Sampler, die es möglich machen, Beats komplexer zu verschachteln.
Rhythmus-Schema
Die Grundlage des typischen Trommel-Rhythmus im Drum and Bass:
Hi Hat . . x . . . x . x . . . . . x .
Snare . . . . o . . . . . . . o . . .
Bassdrum o . . . . . . . . . o . . . . .
Oder angelehnt an den Amen-Break:
Hi Hat x . x . x . x x x . x . x . x .
Snare . . . . o . . . . . . . o . . .
Bassdrum o . . . . . . o . . o . . . . .
Bei düsteren Subgenres wie Darkstep
wird häufig dieses aus dem Jungle
stammende Schema verwendet:
Hi Hat . . x . . . . . x . . . . . x .
Snare . . . . o . . . . . o . . . . .
Bassdrum o . . . . . o . . . . . o . . .
Subgenres
Durch die Vielzahl an Elementen, die im Drum and Bass verwendet werden und wurden, haben sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Subgenres entwickelt. Man konnte die Vielzahl nicht unter einem Namen benennen und so gab man ihnen andere Namen. Einige der bekannten Subgenres sind:
- Jump-Up
schnell und treibend, extrem auf sprunghafte Beats reduziert - Hardstep
verzerrte Beats und reduzierter Rhythmus - Techstep
reduzierte Elemente des Drum and Bass, kombiniert mit Techno, düster und hypnotisch - Darkstep
Ähnlichkeiten mit Techstep, rollend - Jazzstep
enthält Elemente und Melodie des Jazz - Atmospheric Drum and Bass
ruhig und verlangsamt auf 140-160 BPM, tranceartig. Später wurde ein treibender Charakter entwickelt, wurde zu Trancestep - Neurofunk
Techno und Acid Einflüsse dominieren, schnell und treibend - Drumfunk
Fokus liegt auf dem Trommel-Rhythmus (Funk) - Sambass
Mix aus Drum and Bass und Samba - Liquid
melodischer Drum and Bass, lieblich - Drumstep
Mix aus Drum and Bass und Dubstep - Big Step
Elemente von Rock/Punk - Two Step
abgehackte Beats, weniger rollende Drums, Grundlage basiert auf Techno/House
Einfluss auf andere Musikrichtungen
Da Drum and Bass eine unkonventionelle Form der Musik ist, regte sie viele zu Experimenten an. So entstand Mitte der 90er Jahre die Stilrichtung Digital Hardcore. Die Band “Atari Teenage Riot” kam auf die Idee, Drum and Bass mit Hardcore Punk und Gabber-Einflüssen zu kombinieren. Beispiele für das Subgenre sind “Deutschland has gotta die” von Atari Teenage Riot, oder “Kiss of Death” von Alec Empire.
Eine weitere Entwicklung des Dnb ist das sogenannte Drill ‘n’ Bass. Die ebenfalls Mitte der 90er Jahre entstandene Musikrichtung lässt sich als ziemlich abgehackt beschreiben. Die Beats werden aufs extremste Verhack stückelt, und zu komplexen Rhythmen wieder zusammengesetzt. Die Geschwindigkeit ist sehr viel schneller als bei üblichen Drum and Bass Tracks, und “Loops” sind nicht vorhanden. Stattdessen verändern sich der Rhythmus und die Zusammensetzung des Beats in Sekundenschnelle. Das macht es sehr schwierig eine Struktur in einem Track zu erkennen. Ein typisches Beispiel dafür ist der Track “Menelec” von “Squarepusher”.
Verbreitung in Deutschland
Der Mannheimer Club “Milk!” war der erste Club in Deutschland, der sich auf Breakbeat-Musik festlegte. Der Name entstand in Anlehnung an den Begriff “Muttermilch” und steht für den Ursprung von Bewegung und Lebendigkeit. Im Jahre 1992, zwei Jahre nach der Eröffnung, wurde der Club durch die Spezialisierung auf Drum and Bass und Jungle-Musik bekannt. Außer DJ Bassface Sascha, der einer der ersten Wegbegleiter der Breakbeat-Szene aus Deutschland ist, wurden viele britische Größen nach Mannheim gebucht. So etablierte sich das Genre immer mehr in Deutschland. Im selben Jahr wählte die Zeitschrift “Frontpage” Milk! zum Club des Jahres. Das Milk! -Team präsentierte sich ebenfalls auf der Loveparade als die “Love-Pirates”, und erreichte so die Berliner Szene und den Club “XS” in Frankfurt am Main.
Im Zuge der Verbreitung der Milk!-Partyreihe, entstanden die Festivals “Euphoria”, “Future” und “Kings of the Jungle”. Der “Vibration-Club” in Forst bei Bruchsal startete, nach einer zufälligen Überbuchung, die bisher bekannteste Großveranstaltung “Meditation”. Während in Mannheim und Umgebung Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit stattfanden, blieb in Berlin das Underground-Bildnis erhalten. Ähnlich wie die Stadt, nahm die Szene eine Inselstellung ein. Heute ist Drum and Bass in nahezu jeder Stadt Deutschlands vertreten. Vor allem in Köln, Frankfurt, Berlin und Hamburg hat das Genre an Bedeutung gewonnen.
Verbreitung in Österreich
Die Österreichische DnB-Szene war und ist sehr aktiv. Zahlreiche Städte und Clubs konzentrieren sich seit den 90ern auf die Breakbeat-Musik. In Städten wie Wien, Linz, Graz, Salzburg und noch vielen mehr, etablierte sich die Szene sehr schnell. Zu den wichtigsten Partyreihen zählen “Beat it” und “Future Beatz” im Flex, “Therapy Sessions” und “Mainframe” in der Arena und “Vollkontakt” im Fluc. Immer mehr Leute lernten die Musikrichtung zu schätzen und strömten zu den Partys. So beschloss man, einige Festivals aufzuziehen, unter anderem das “Urban Art Forms”-Festival, welches jahrelang eines der größten, europäischen Drum and Bass-Festivals war. Auch in Innsbruck wird gefeiert, und zwar bei dem “G’stört im Park”-Festival, welches von der Gruppe “Ruhestörung” organisiert wird. Aufgrund der zunehmenden Beliebtheit des Genres, erschien in Wien nach einigen Jahren das Drum and Bass Magazin “resident”.
Drum and Bass gewinnt immer mehr an Bedeutung und Reichweite. Immer öfter hört man Tracks im Radio, bei Freunden oder sogar auf Spotify. Es bleibt abzuwarten ob der spezielle Charme der Gemeinschaft erhalten bleibt.
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